Liebe Kolpingsfamilie!
Von Theodor Fontane (1819 -1998) stammt das Gedicht:
Ein Chinese ('s sind schon an zweihundert Jahr)
in Frankreich auf einem Hofball
war.
Und die einen frugen ihn: ob er das kenne?
Und die andern frugen ihn: wie man
es nenne?
Wir nennen es tanzen, sprach er mit Lachen,
aber wir lassen es andere machen.
Und dieses Wort, seit langer Frist,
mir immer in Erinnerung ist,
ich seh das Rennen, ich seh das Jagen,
und wenn mich die Menschen umdrängen
und fragen: Was tust du nicht mit?
Warum
stehst du beiseit?
So sag ich: Alles hat seine Zeit.
Auch die Jagd nach dem Glück. All derlei
Sachen,
ich lasse sie längst durch andere machen.
Man sieht: Nicht erst in unseren Tagen ist fernöstliche Weisheit gefragt. Sie fasziniert durch ihre Ruhe und Gelassenheit, mit der sie über den Dingen steht.
Aber wir lassen es andere machen. Diese Einstellung gefällt Theodor Fontane, sie gefällt auch mir. Man muss nicht alles mitmachen, nicht überall dabei sein, sich nicht verzetteln in tausenderlei Kleinigkeiten, sich nicht für einen zu hohen Preis der Jagd nach Glück und dem hektischen Treiben anpassen aus Angst davor, etwas zu versäumen.
Aber wir lassen das andere machen! Das gefällt mir, und es gefällt mir auch nicht. Es gefällt mir dort nicht, wo eigenes Mittun durchaus gefragt, weil notwendig ist, wo man sich mit Recht die Frage gefallen lassen muss: Was tust du nicht mit? Warum stehst du beiseit? Jede Gemeinschaft lebt davon, dass der einzelne sich einbringt und Aufgaben übernimmt, das man also nicht nur die anderen für sich machen lässt. Wer käme schon im Ernst auf die Idee, andere für sich essen zu lassen, andere für sich sich freuen, zu lieben und tanzen zu lassen? Die schönen und angenehmen Dinge des Lebens wollen wir nicht delegieren. Delegieren wir auch nicht vorschnell und egoistisch das, was uns nicht schmeckt und wir nicht machen wollen! Lassen wir nicht andere für uns tun, was unsere Aufgabe ist, einer guten Sache dient und das gedeihliche Miteinander einer Gemeinschaft fördert!
Herzliche Kolpinggrüße!
Otto Nachtmann, Präses