Wanderung und Führung im untergegangenen Dorf Grafenried/Lučina

In eine Zeitreise begab sich die Kolpingsfamilie Rötz bei einer Wanderung im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet mit einer Führung im untergegangenen Dorf Grafenried/Lučina. Am Beispiel des in Grundmauern wiedererstandenen Ortes zeigt sich, dass die unrühmliche Geschichte zwischen Deutschen und Tschechen sich positiv wandle.
Manfred Groß aus Waldmünchen, pensionierter Beamter der ehemaligen Bayerischen Grenzpolizei, der seinen Dienst zwischen 1982 bis 2007 tat übernahm von Untergrafenried aus die Führung der 20-köpfigen Gruppe und nahm die Teilnehmer auf eine interessante Historienwanderung mit. Dabei gab er viele wissenswerte Informationen und Details zur Geschichte des Grenzgebiets und des Dorfes Grafenried, dem heutigen Lučina zum Besten.
Grafenried lag an der Grenze zwischen Böhmen und Bayern und hatte seit seiner Gründung unter den Kämpfen um diese Grenze zu leiden. Bekannt war das Gebiet durch mehrere Glashütten und Familiendynastien. 1708 kam Grafenried auf Grund einer veränderten Grenzziehung zu Böhmen. Da zu Grafenried sowohl Besitzungen in der Oberpfalz als auch in Böhmen gehörten, waren seine Besitzer sowohl königlich böhmische als auch kurfürstlich oberpfälzische Landsassen. Infolge des Zerfalls Österreich-Ungarns 1918 gehörte Grafenried zur neu gegründeten Tschechoslowakei. Nach der Sudetenkrise und der Annexion wurde Grafenried 1938 dem Deutschen Reich angegliedert. 1939 hatte Grafenried zusammen mit Anger, Seeg und Haselberg 147 Häuser und 800 Einwohner. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte es zu Tschechoslowakei. Nach 1946 musste die damals in Grafenried lebende deutsche Bevölkerung ihre Heimat verlassen, der Ort wurde zerstört, Häuser, das Schloss, die Brauerei, der Pfarrhof und die Kirche dem Erdboden gleich gemacht. Jahrzehntelang bedeckten Moos und Strauchwerk die Überreste der Gebäude. Fundamente, Mauerteile, die Kirchenruine und der Friedhof erinnern heute wieder an das untergegangene Dorf. Die Fragmente sind beschriftet, ob es die Schule, Gaststätte, Handwerksbetrieb oder ein Laden war. Alle ehemaligen Häuser wurden mit Schautafeln versehen, die den Familiennamen, den Hausnamen und den Beruf bzw. das Auskommen der Bewohner erklärt. 1786 wurde die Kirche St. Georg erbaut. In dieser Kirche befand sich das Bild der Schönen Maria von Grafenried. 1808 wurde Grafenried Pfarrei. Das Gotteshaus stand noch bis in die 1970-er Jahre und obwohl sie den Status eines Denkmals besaß wurde sie gesprengt. Seit 2011 begannen interessierte tschechische und deutsche Heimatforscher und Hobby-Archäologen damit, Grafenried auszugraben und Informationstafeln aufzustellen. Manfred Groß nannte dabei den unermüdlichen Helmut Roith aus Edlmühl/Treffelstein der „Da‘ Groberer“ genannt wird, Hans Laubmeier aus Lappersdorf und Alois Rötzer aus Schönthal. Die Arbeiten begannen vor über zehn Jahren mit den Resten des Kirchenschiffs St. Georg. Dieser Platz wurde 2012 im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes wieder geweiht. Auch der 150 Jahre lang genutzte und völlig zerstörte sowie überwachsene Friedhof wurde aufwändig wieder hergestellt. Acht Priester sind im dortigen Grab bestattet. Alljährlich findet Anfang Mai das Grafenrieder Treffen statt, das sich mittlerweile über den Kreis der ehemaligen Bewohner hinaus, steigender Beliebtheit erfreut. Dazu wurde ein eigener Gedenkstein an der Grenze errichtet. So ist Grafenried, das in seiner bayerisch-böhmischen Geschichte zwei Mal zerstört wurde, in gewissem Sinne wieder auferstanden und zu einem Anziehungspunkt für Besucher von hüben und drüben der Grenze geworden. Die Grabungsstätte Grafenried/Lučina ist ein Ort der Verständigung geworden, und ein Zukunftsprojekt für gute Nachbarschaft.

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