„Wie funktioniert die EU? – Infos zur Europawahl“ mit Edgar Schiedermeier

Wie das „undurchschaubare Wesen“ Europäische Union eigentlich funktioniert gab es beim Kolpingtreff aus erster Hand: das ehemalige Mitglied des Europaparlamentes Edgar Schiedermeier aus Cham berichtete aus Anlass der Europawahl am 13. Juni unparteiisch, informativ und verständlich. Immer mehr Entscheidungen fallen auf europäischer Ebene, deshalb sei es wichtig, dass die Wahl ernst genommen werde, meinte der Referent.
Die Kolpingsfamilie will ihrem Bildungsauftrag gerecht werden und den „guten Staatsbürger“ formen. Deshalb war es ein Anliegen, vor der Europawahl am 13. Juni eine Informationsveranstaltung zur EU anzubieten. Dazu konnte Edgar Schiedermeier gewonnen werden, der von 1993 bis 1999 Abgeordneter des Europäischen Parlaments war. Die „Fachkraft aus diesem Geschäft“ brachte nicht nur graue Theorie mit, sondern vor allem eigene Erfahrungen. Der Referent ging im ersten Teil seiner Ausführungen auf die geschichtliche und politische Entwicklung Europas ein. Er erinnerte sich an die Visionen in seiner Jugend zurück, als man sich fallende Grenzen und einen schrankenlosen Kontinent wünschte. Der Vorläufer dieser Träume war die Montanunion, die 1950 zwischen Deutschland und Frankreich für die Bereiche Kohle und Stahl geschlossen wurde. 1952 folgten Italien und die Beneluxstaaten diesem Beispiel und 1958 gründeten diese sechs Länder die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1960 gab es die Europäische Freihandelszone (EFTA) und 1973 gab es mit Großbritannien, Dänemark und Irland eine neun Mitglieder starke Europäische Gemeinschaft (EG). Das Europäische Währungssystem trat 1979 in Kraft und in diesem Jahr erfolgte die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments. In den achtziger Jahren taten Griechenland, Portugal und Spanien der EG bei. Weitere Meilenstein gab es beim Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und deren Eingliederung in die EG sowie die Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Union (EU) in Maastricht. 1995 stiegen die Mitgliederstaaten mit Österreich, Schweden und Finnland auf 15 an. Seit Mai dieses Jahres gibt es mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta und Zypern 25 Länder in der EU. Schiedermeier stellte heraus, dass diese 50-jährige Geschichte die längste Friedensperiode in Europa sei. Er betonte, dass die Europäische Union bisher Frieden, Freiheit und Demokratie gewährleistet habe. Dies sei über alles zu stellen, könne man doch alle anderen Schwierigkeiten besprechen und lösen. Es sei ein großer Verdienst, der heute kaum mehr gesehen werde und vor allem von der jungen Generation als selbstverständlich angesehen werde. Der Referent ging auf die künftigen Erweiterungen ein und die Zuhörer diskutierten über die politische und räumliche Ausdehnung Europas. In einem angeregten Gespräch unterhielt man sich über verschiedene Themen, die derzeit mit Europa diskutiert werden. So sprach man über den Verfassungsentwurf und den fehlenden Gottesbezug, die Grenzkontrollen und den Standard des Schengener Abkommens, Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Grenzgänger-Regelung. Schiedermeier erläuterte ausführlich und mit Erfahrungsgeschichten gespickt die Organe der Europäischen Union. Dazu erklärte er das Europäische Parlament, das abwechseln in Straßburg und Brüssel tage sowie den Europäischen Rat, der aus den Regierungschefs der Länder bestehe und sich halbjährlich treffe, um die Richtung der Politik zu bestimmen. Der Ministerrat bestehe aus den Fachministern der einzelnen Regierungen und komme zu den jeweiligen Sachfragen zusammen. Die Europäische Kommission bestehe derzeit aus 20 Kommissaren mit verschiedenen politischen Ressorts und wird als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Entscheidungen von der Kommission in das Parlament verlagert. Er wusste von manch spannenden Abläufen im Abgeordnetenhaus und der länderübergreifenden Fraktionsarbeit zu berichten. Weitere Einrichtungen seien der Europäische Gerichtshof, die Zentralbank und der Rechnungshof. Für die Kommission seien der Ausschuss der Regionen und der Wirtschafts- und Sozialausschuss beratend tätig. Edgar Schiedermeier würzte seine sachlichen Informationen mit persönlichen Erlebnissen und Anekdoten, beleuchte die Hintergründe der europäischen Politik und der Arbeit in den einzelnen Organen. Er riss den Europäischen Vertrag an, die Gesetze und Verordnungen, den Haushalt und die Unionsbürgerschaft. Die EU habe heute schon mehr Einwohner als die Vereinigten Staaten von Amerika. Für den hochinteressanten Abend dankte Bildungsbeauftragte Susanne Reitinger dem sympathischen Referenten mit einem hochprozentigen Rötzer Präsent.

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